Donnerstag, April 10, 2008

Endmoränen

In der Nähe des grossen Fox Glacier las ich das Buch von Monika Maron mit dem Titel: "Endmoränen".

Die Ich-Erzählerin Johanna schildert, wie sie zu DDR Zeiten Biografien schrieb und geheime Botschaften in ihnen versteckte. Als die Mauer fiel und sich eine neue Zeit ankündigte, blieb sie weiterhin bei ihrem angestammten Beruf, obwohl sie das Gefühl hatte, dass ihre Fähigkeiten nicht mehr gebraucht würden. Später wird sie über jene Zeit schreiben:

"Wir hatten die Chance, ein ganz neues Leben zu beginnen, eins, das für uns nicht vorgesehen war und mit dem niemand von uns gerechnet hatte. Ich hätte alle Festlegungen aufheben und mein Leben neu erfinden dürfen."

Inzwischen ist Johanna eine ältere Frau geworden und zieht sich in eine Endmoränen-Landschaft zurück um über ihr vergangenes Leben nachzudenken und einen Sinn für das noch verbleibende herauszufinden.
Sie erinnert sich wieder an die Worte einer ehemaligen Schulkollegin, die verkrüppelt war und ihr anvertraute:

"Sie dusche niemals, sondern bade immer in einem Berg von Schaum, um ihre ungefügen Gliedmassen, durch deren wächserne Haut der Tod hervorscheine wie in einem Röntgenbild, nicht ansehen zu müssen. Jeden Morgen und Abend, vollziehe sie den Wechsel der Kleidung hastig und atemlos vor Angst, ihren nackten Körper wahrnehmen zu müssen, als liesse er sich zum Verschwinden bringen, wenn niemand, nicht einmal sie selbst, ihn zur Kenntnis nähme."

Johanna gesteht sich ein:
"...Ich hätte, um mich zu schminken, in den Spiegel sehen und dabei feststellen müssen, dass mir schon wieder ein melierter Scheitel gewachsen war und ich es leid war, diesen aussichtslosen Kampf zu führen gegen die Haare, die Haut und das Fleisch. Ich dusche nicht mehr, sondern bade unter einer Decke aus Schaum, wie Irene."

Sie sinniert weiter über das Alter nach:
"Vielleicht lag ja auch das am Alter, an diesem demütigenden und wehrlosen Zustand des Altwerdens, der, worauf kaum einer gefasst ist, über uns kommt, während wir uns fast noch im Lager der Jugend wähnen, dann aber, eine Grippe, ein paar anstrengende Wochen, ein Schmerz, und eines Tages, unvorbereitet, erkennen wir im Spiegel unser neues, das fast alte Gesicht und warten von da an auf die unbarmherzige tägliche Verwandlung in das ganz alte."

Ihre Freundin Elli muntert sie auf und weist auf eine positive Seite des Alters hin:
"Vor allem aber, sagte Elli, könnten alte Menschen, besonders natürlich alte Frauen, im Schutze ihrer gebrechlichen Erscheinung hundsgmeine und verbotene Dinge tun, die ihnen, meistens leider zu Recht, niemand mehr zutraut."

Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen. Es ist der erste Roman, den ich von Monika Maron gelesen habe und ich bin gespannt auf ihre weiteren Werke.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

...wuff...da stellt sich eine FRAU... unverblümt der Wahrheit!

Mutig, mutig Bäbels hast ein geschicktes Händchen beim "Bücherauswählen"!

Liebstes Grüsschen das "Tantchen" deiner Kinder.

Gabrielas Tagebuch hat gesagt…

liebstes tantchen

herzlichen dank!

bitte das büchlein nicht kaufen, es liegt schon für dich bereit!

umarmung