Donnerstag, Oktober 30, 2008

Blättertanz



Diese Bäume habe fast alle ihre Blätter hergegeben. Ihre Äste sind beinahe kahl. Am Boden liegt die ganze Pracht.

Mittwoch, Oktober 29, 2008

Jeannettes Hinterhof


Es ist wie ein Tanz. Manche Menschen verliere ich aus den Augen, neue tauchen auf und begleiten mich ein Stück, einige bleiben nur kurz, andere länger, einzelne gehen den ganzen Weg mit mir.


"Die ganze Welt ist Bühne
Und alle Fraun und Männer blosse Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
Sein Leben lang spielt einer manche Rollen. . ."

Shakespeare, "Wie es euch gefällt" (2. Akt, 7. Szene)

Dienstag, Oktober 28, 2008

EIN WELKES BLATT. . .

"Ein welkes Blatt - und jedermann weiss: Herbst.
Fröstelnd klirren die Fenster zur Nacht.
O grüne Welt, wie grell du dich verfärbst!

Schon raschelt der Winter im Laube.
Und die Vögel haben, husch, sich aus dem Staube
gemacht.

Wie letzte Früchte fielen ihre Lieder vom Baum.
Nun haust der Wind in den Zweigen.

Die Alten im Park, sie neigen
Das Haupt noch tiefer. Und die Liebenden
Schweigen.

Bald sind alle Boote im Hafen.
Die Schwäne am Weiher schlafen
Im Nebellicht.

Sommer - entflogener Traum!
Und Frühling - welch sagenhaft fernes Gerücht!

Ein welkes Blatt treibt still im weiten Raum,
Und alle wissen: Herbst"

Mascha Kaléko
1907 - 1975

Freitag, Oktober 24, 2008

Willkommen, du wunderschönes Kälbchen!




Das Glück stand, allerdings noch auf wackligen Beinen, direkt am Strassenrand. Mit dem Auto fuhr ich den gewohnten Weg nach Hause und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, dass es auf der Kuhwiese Zuwachs gegeben hatte. Schnell stoppte ich, stieg aus und begrüsste voller Freude und Staunen Kuh und Kälbchen.

Mittwoch, Oktober 22, 2008

Wie ein Stein im Geröll

Das folgende Gedicht habe ich am Morgen gelesen und es hat mich den ganzen Tag über begleitet. Besonders der Schlusssatz ist hängen geblieben: "Ich habe keinen Stein ins Rollen gebracht."


Der schöne 27. September

"Ich habe keine Zeitung gelesen.
Ich habe keiner Frau nachgesehn.
Ich habe den Briefkasten nicht geöffnet.
Ich habe keinem einen guten Tag gewünscht.
Ich habe nicht in den Spiegel gesehn.
Ich habe mit keinem über alte Zeiten gesprochen und
mit keinem über neue Zeiten.
Ich habe nicht über mich nachgedacht.
Ich habe keine Zeile geschrieben.
Ich habe keinen Stein ins Rollen gebracht."

Thomas Brasch

Dann griff ich in der Buchhandlung zu einem schmalen Büchlein, es hat nur nur gut 150 Seiten.

"Wie ein Stein im Geröll"
von Maria Barbal

Conxa, ein Bauernmädchen aus den spanischen Pyrenäen, wird als 13 - jährige zu einer Schwester ihrer Mutter und deren Ehemann gebracht. Fortan soll sie dort leben. Beim kinderlosen Paar arbeitet sie auf dem Feld und im Haus. Später heiratet sie ihre grosse Liebe Jaume.

"Man hätte meinen können, Jaume sei einzig und allein nur deshalb auf der Welt, um mir all meine Ängste zu nehmen, ein Licht anzuzünden, wo ich nur Dunkelheit sah, und um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wenn sie sich vor mir wie ein riesiger Berg aufzutürmen schienen."

Conxa und Jaume haben drei Kinder. Während des Bürgerkriegs wird Jaume erschossen und Conxa wird mit ihren Kindern für kurze Zeit ins Gefängnis gesperrt. Sie steht unter grossem Schock und sagt:

"Ich fühle mich wie ein Stein im Geröll. Wenn irgend jemand oder irgend etwas mich anstösst, werde ich mit den andern fallen und herunterrollen; wenn mir aber niemand einen Stoss versetzt, werde ich einfach hierbleiben, ohne mich zu rühren, einen Tag um den anderen. . ."

Conxa muss nun den Hof alleine bewirtschaften.
Als alte Frau folgt sie später ihrem Sohn nach Barcelona in eine ganz andere, fremde Welt, in ein Haus mit sieben Stockwerken. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

"Barcelona, das ist ein Haus, dessen Fenster nicht zur Strasse schauen. Sie schauen auf den Hausflur und den Dienstbotenaufzug.
Barcelona, das ist ein ferner Himmel und schreckhafte Sterne. Das ist ein feuchter Himmel und ein grauer Regen.
Barcelona, das ist niemanden zu kennen. Nur die Familie. Und manchmal zu hören, wie mit merkwürdigen Worten gesprochen wird. Das ist zu vergessen, welche Laute die Tiere daheim von sich geben, um gegen Abend zu sehen, wie Hunde an einer Leine ausgeführt werden.
Barcelona, das ist ein kleines Brot, das jeden Tag aufgegessen wird, und das ist Milch aus einer Flasche, ganz weiss, ohne Rahm, und ganz dünn im Geschmack.
Und das ist jeden Tag zu begreifen, dass ich nur noch zu ganz wenigen Arbeiten tauge. Manchmal nach dem Essen die Teller abspülen. Aber wer weiss, ob sie dann auch wirklich sauber sind. Und wenn am Abend Barcelona zu einer Geschichte von dort oben wird, dann ist da niemand, dem ich sie erzählen kann, und allen ist es lästig, dass aus diesem Abend in Barcelona ein Stück Abenteuer aus einer vergessenen Bergwelt werden soll."

Der Schluss lautet:
"Barcelona, das ist für mich etwas sehr Schönes.
Die letzte Stufe vor dem Friedhof."


Der Roman wird aus der Sicht von Conxa erzählt. Die Sprache ist einfach, bescheiden, schnörkellos, ruhig, fast archaisch. Ich hätte noch stundenlang weiter lesen mögen.
Conxa berichtet von ihren Leiden, von den Freuden, dem Glück, das sie mit Jaume findet, sie erzählt von der Kraft und der Schönheit der Natur, den Katastrophen, dem Krieg und macht deutlich, dass ihr Leben kein Einzelschicksal ist sondern stellvertretend für ganz viele Frauen steht.

Dienstag, Oktober 21, 2008

Ofenpass




Auf der Rückfahrt fuhren wir über den Ofenpass. Einmal mehr wollten wir gar nicht weiter fahren. Diese grandiosen Schneeberge, die goldenen Tannen, der warme Sonnenschein erfüllten uns mit Entzücken und Dankbarkeit.

Montag, Oktober 20, 2008

Herbstfarben





Rund um den Kalterer See zeigt sich der Herbst in leuchtenden Farben. Die Traubenlese hat begonnen.

Jedes Blatt

"Ich sage dir was ich sehe manchmal
Jedes Blatt einzeln am Baum oder
Aufm Kies kleine Sicheln oder wie das
Weitergeht mit mir: kurze Aufenthalte
Alles wieder zusammenpacken und fort"


Sarah Kirsch

Freitag, Oktober 17, 2008

Zakhor. Al Tichkah. Erinnere dich. Vergiss niemals.


Bei ihr habe ich diesen Buchtipp gesehen. Herzlichen Dank!

"Sarahs Schlüssel"
von Tatiana de Rosnay

Die Originalausgabe (auf Französisch) erschien unter dem Titel:
"Elle s' appelait Sarah"

Diese ergreifende Geschichte handelt von der kleinen Sarah, die am 16. Juni 1942 mitten in Paris mit vielen andern jüdischen Familien von der französischen Polizei deportiert wurde. Der Deckname für diese unmenschliche Aktion lautete: "Frühlingsbrise". Als die Polizei eintraf, versteckte Sarah ihren kleinen Bruder in einem geheimen Wandschrank. Flüsternd versprach sie ihm, ihn sobald als möglich wieder zu befreien. Es gelingt ihr die Flucht und mit dem Schlüssel in der Hand macht sie sich auf den Weg ihr Versprechen einzulösen.
60 Jahre später begibt sich eine Journalistin auf die Suche nach Sarah.

Die Autorin schreibt im Vorwort:
"Dies ist kein historisches Werk und hat auch nicht den Anspruch, eines zu sein. Ich möchte damit den Kindern des "Vél d' Hiv" meinen Tribut zollen, die nie mehr zurückgekommen sind. Und denen, die überlebt haben, um davon zu berichten."

Tatiana de Rosnay erzählt zwei Geschichten. Nämlich die von Sarah und die der amerikanischen Journalistin, die erfährt, dass die Familie ihres Mannes nach der Gefangennahme von Sarahs Familie in deren Wohnung gelebt hat.

Ich habe dieses Buch in einer Nacht durchgelesen und es ist mir sehr zu Herzen gegangen.

Donnerstag, Oktober 16, 2008

Nun geht unsere Fahrt weiter nach Graun, wo wir den halbversunkenen Kirchturm bestaunen.

Glurns, das kleine Festungsstädtchen besitzt noch völlig intakte Stadtmauern.

Mit dem Wohnmobil kommen wir jedoch nicht durch das Stadttor. Durch Überschwemmungen wurde der Boden immer weiter angehoben, sodass die Durchfahrtshöhe sehr niedrig ist.

Das kleine Städtchen ist wunderschön, voll malerischer Winkel und Gassen.

In Meran besuchen wir den Soldatenfriedhof. Hunderte von kleinen Kreuzen stehen im Gras.


Frage und Antwort

"Was kann man
gegen die Trauer tun?

eigentlich nichts

ausser trauern."

Franz Hohler

Mittwoch, Oktober 15, 2008

Dankeschön


Liebstes Schwesterlein nicht nur die winzigen Vögel sind bei Dir gelandet, Deine weit ausgestreckten Hände haben auch noch andere Zugvögel angelockt. :-) Wie haben wir es genossen vor Deinem Heim zu campen und von Deinem reich gedeckten Tisch zu essen.

"Das ist der Gastfreundschaft tiefster Sinn,
einander Ruhe zu geben auf dem Weg nach dem ewigen Zuhause."

Romano Guardini

Dienstag, Oktober 14, 2008

Montag, Oktober 13, 2008

Fahrt ins Süd - Tirol

Am Marmorerasee (GR) machen wir einen Halt.
Der erste Schneeball fliegt über den See.

Wir bewundern den Seen, die verschneiten Berge, die herbstlichen Bäume.

Weiter geht die Fahrt zu Lulu nach St. Moritz.

Dort wandern wir zum Stazersee und nehmen entzückt die grossartige Landschaft in uns auf.

"So ruhig geh ich meinen Pfad,
so still ist mir zumut,
es dünkt mich jeder Weg gerad,
und jedes Wetter gut.

Wohin mein Weg mich führen mag,
der Himmel ist mein Dach,
die Sonne kommt mit jedem Tag,
die Sterne halten Wacht.

Und komm ich spät, und komm ich früh
ans Ziel, das mir gestellt:
verlieren kann ich mich doch nie
o Gott, aus Deiner Welt."

Joseph Freiherr von Eichendorff


Freitag, Oktober 03, 2008

verreisen

"Reisen können ist eine der schwierigsten Künste.
Eigentlich müsste man es im Hauptberuf betreiben."

Walter Nissen

Diesen Ausspruch nehme ich mir sehr zu Herzen! ;-)


Nächste Woche sind wir mit dem Wohnmobil unterwegs.

"Es scheint, dass mit den veränderten Landschaften, die vorbeiziehen, auch andere seelische Landschaften ins Licht gerückt würden, die vorher im Dunkel, im Vergessenen lagen. Und so bedeutet dem Empfindsamen Reisen ein unaufhörliches Bereichern des Lebens, unerschöpfliche Nahrung für den Geist, unendliches Verfeinern der Gefühle."

Kurt Pahlen

Donnerstag, Oktober 02, 2008

Alice Munro

Die neun Erzählungen im Buch von Munro tragen Titel wie:
"Hasst er mich, mag er mich, liebt er mich, Hochzeit"
In dieser Kurzgeschichte kämpft die resolute Johanna zielstrebig für ihr Glück, das ihr andere zerstören wollen.

In der zweiten Erzählung:
"Eine schimmernde Brücke"
findet die krebskranke Jinny wieder ins Leben zurück, indem sie über besagte Brücke geht und einen Jungen küsst.

Die Hauptpersonen sind meist starke Frauen, die nicht im üblichen Sinne als schön gelten und einen eigenwilligen Charakter haben.
Jede dieser Erzählungen würde Stoff enthalten für einen ganzen Roman. Es werden kleine Einblicke in das Leben der Protagonisten gewährt und der Vorhang wird jeweils nur kurz angehoben, bevor er wieder fällt.
Mich haben diese Geschichten sehr interessiert, sie fesselten mich so sehr, dass ich sogar von ihnen geträumt habe.

Besonders gefallen hat mir die letzte Erzählung:
"Der Bär klettert über den Berg"

Sie handelt von einem seit 30 Jahren verheirateten Ehepaar, bei dessen Frau Alzheimer diagnostiziert wird. Die Krankheit äussert sich so, dass Fiona sich an manchen Tagen an keine Namen erinnern kann. Sie findet nach dem Einkaufen den Heimweg nicht, sie verlegt Sachen und findet sie nicht mehr. An die Küchenschubladen hängt sie Zettel, auf denen sie notiert, was darin ist. Als die Krankheit immer ernster wird, beschliessen Fiona und Grant gemeinsam, Fiona in ein Heim zu bringen. Bei ihrer Ankunft erklärt die Heimleiterin, dass es den Angehörigen verboten sei, während den ersten 30 Tagen die Patienten zu besuchen.
Als Grant nach Ablauf dieser Frist Fiona besucht, stellt er erschrocken fest, dass sich seine Frau kaum noch an ihn erinnert und sich in Aubrey, einen Mitbewohner verliebt hat.
Wie Grant mit dieser Situation umgeht und wie er sich mit Aubreys Frau in Verbindung setzt ist eindrucksvoll beschrieben.

Während des Lesens dieser Erzählung wurde mir bald klar, dass ich sie schon kannte. Sie wurde verfilmt und ich habe erst kürzlich den DVD gesehen unter dem Titel:
"AWAY FROM HER"


Der Film wurde von Sarah Polley gedreht. Eine grossartige Julie Christie spielt Fiona, Grant wird hervorragend gespielt von Gordon Pisent und Aubrey von Michael Murphy.
Auf der DVD Hülle steht: "Away From Her - eine wunderbare Geschichte über Alleinsein,
Altwerden, Treue, Liebe, Vergebung. Manchmal muss man loslassen, was man liebt."

Auch der Film hat mich sehr berührt. Beides ist schön: die Geschichte zu lesen oder sich den DVD anzusehen.
Müsste ich zwischen den beiden wählen, würde ich mich für den Film entscheiden.

Mittwoch, Oktober 01, 2008

Das Oberlicht


"Du warst für Oberlichter. Ich war sehr dagegen,
Die feste Pechkieferverschalung anzusägen.
Ich mochte es niedrig, zu, das klaustrophil-
Beengte Nest-unter-dem-Dach-Gefühl.
Ich mochte diese Pulvertrockenheit,
Den deckeldichten Sitz der alten Decke.
Unter ihr war's wie unter Kuh und Glucke.
Das Schieferdach hielt warm wie schwarzes Ried.

Doch als der Schiefer wegkam, trat ein schöner
Verschwenderischer Himmel ein, Erstaunen kündend.
Tagelang fühlte ich mich wie ein Bewohner
Des Hauses, wo der Mann, der an der Gicht litt,
Durchs Dach hinabgelassen wurde, seine Sünden
Verziehen bekam, genas, sein Bett nahm und davonschritt."

Seamus Heaney