Donnerstag, Juli 03, 2008

"Von den Kindern"


"Sprich zu uns über die Kinder", bat eine Frau, die einen Säugling an ihre Brust drückte.
Und er sagte:
"Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des
Lebens nach sich selbst.
Sie treten durch euch in die Welt, aber nicht aus euch,
Und obgleich sie bei euch sind, gehören sie euch
doch nicht.

Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie habe ihre eigenen.
Ihrem Körper dürft ihr ein Haus schenken, aber
nicht ihren Seelen,
Denn diese wohnen im Haus des Morgen, das ihr
selbst in euren Träumen nicht zu betreten vermögt.
Ihr mögt danach streben, wie sie zu sein, doch
versucht nicht, sie euch gleich zu machen,
Denn das Leben schreitet weder zurück noch verharrt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, die eure Kinder als lebendige
Pfeile verlassen.
Der Schütze visiert das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit an.
Er beugt euch mit Seiner Macht,
auf dass Seine Pfeile rasch und weit fliegen.
Lasst euch froh durch die Hand des Bogenschützen biegen,
Denn Er liebt den standhaft verharrenden Bogen,
ebenso wie den davonschnellenden Pfeil."

Khalil Gibran, aus: "Der Prophet"

Fotos: Lucia Aronsky

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was für 1 wunderschönes, eindrückliches Gedicht - und eine Mahnung zur Achtsamkeit!! genau im richtigen Augenblick: Liebe ja, Gedanken nein!... und was für ein süsses so sehr geliebtes
Kleeblatt!

Tago

Gabrielas Tagebuch hat gesagt…

@ tago

ja, mir gefällt dieses gedicht von gibran auch sehr gut. jede zeile spricht von tiefer weisheit. "eure kinder sind nicht eure kinder..." ich muss mir das immer wieder in erinnerung rufen.

ich wünsche dir einen frohen abend.