"Eine Maus lebte in ständiger Sorge, denn sie hatte Angst vor der Katze. Ein Zauberer hatte Mitleid mit ihr und verwandelte sie in eine Katze. Aber dann hatte sie Angst vor dem Hund. Also verwandelte der Zauberer sie in einen Hund. Nun fürchtete sie sich vor dem Tiger. Der Zauberer verwandelte sie in einen Tiger. Nun hatte sie Angst vor dem Jäger. Da gab der Zauberer schliesslich auf und verwandelte den Tiger wieder in eine Maus: "Nichts, was ich für dich tun kann, wird dir helfen, denn du hast das Herz einer Maus."
Marco Aldinger, aus: Geschichten für die kleine Erleuchtung
wie viel eine Schneeflocke wiegt?", fragte eine Kohlmeise eine Wildtaube. "Ein Nichts von einem Nichts", antwortete sie. "Da muss ich dir etwas Erstaunliches erzählen", sagte die Kohlmeise. "Ich sass auf einem Tannenzweig nahe am Stamm, als es zu schneien anfing, nicht heftig, es war kein Schneesturm, nein, so leise wie ein Traum. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, zählte ich die Schneeflocken, die auf den Zweigen und Nadeln meines Astes hängen blieben. Ich kam bis zu 3.741.952. Als die nächste Schneeflocke auf den Ast fiel - ein Nichts von einem Nichts, wie du gesagt hast - , brach der Ast ab." Nachdem sie das gesagt hatte, flog die Kohlmeise davon. Die Taube, seit Noahs Zeiten eine Verkünderin des Neuen, dachte über die Geschichte nach und sagte schliesslich zu sich: "Vielleicht fehlt nur noch eine einzige Stimme, damit es Frieden auf der Welt gibt."
Kurt Kauter, aus: "Offen wie das Meer, weit wie der Himmel" von Jack Kornfield
"Der bekannte argentische Golfer Roberto de Vicenzo gewann einmal ein Tournier. Nachdem er vor den Kameras lächelnd einen Scheck in Empfang genommen hatte, begab er sich ins Clubhaus, um sich für den Nachhauseweg umzuziehen. Kurz darauf ging er über den Parkplatz zu seinem Auto, als ihn eine Frau ansprach. Sie gratulierte ihm zu seinem Sieg und klagte dann über ihr todkrankes Kind. De Vicenzo war von ihrer Geschichte gerührt, zog den Scheck heraus und überschrieb ihn der Frau. "Lass es dem Kleinen eine Weile gut gehen", sagte er und drückte ihr den Scheck in die Hand. In der drauf folgenden Woche ass er im Country Club zu Mittag, als ein Angestellter des Golfclubs zu ihm an den Tisch kam. "Mir haben ein paar Mitarbeiter letzte Woche erzählt, eine junge Frau hätte Sie nach dem Tournier auf dem Parkplatz angesprochen." De Vicenzo nickte. "Nun", sagte der Angestellte, "ich habe eine Neuigkeit für Sie. Die Frau ist eine Betrügerin. Sie ist weder verheiratet, noch hat sie ein krankes Baby. Sie wurden hinters Licht geführt, mein Freund." "Sie meinen, es gibt gar kein todkrankes Baby?", erwiderte de Vicenzo. "So ist es." "Das ist die beste Nachricht, die ich diese Woche erhalten habe", sagte Vicenzo."
Jack Kornfield aus: Offen wie der Himmel, weit wie das Meer
"Der Schwan, wenn er sein Ende naht, Das heisst: wenn ihm sein Sterben schwant, Zieht sich zurück, putzt sein Gefieder Und singt das schönste seiner Lieder.
- So möcht auch ich, ist es soweit, Mal eingehn in die Ewigkeit."
Gestern feierten wir vier Schwestern den Geburtstag unserer ältesten Schwester. Der Tag war voller Erinnerungen an früher, voll von "weisst du noch?" voll Lachen und nachdenklich sein.
"Wie still war damals doch die Welt, erinnern sich die Leute. Die Hunde haben zwar gebellt. doch nicht so laut wie heute."
Frantz Wittkamp
Unsere grosse Schwester hat ein schweres Leben und ist immer auf unsere Unterstützung angewiesen. Es braucht immer alle vier, damit wir wieder all ihre Probleme bewältigen können.
"Manchmal ist die Welt ganz klein und manchmal riesengross, manchmal ist sie ganz aus Stein und manchmal ganz aus Moos."
Frantz Wittkamp
Manchmal möchte ich die Verantwortung zurückgeben, aber dann erinnere ich mich wieder an den Lösungsvorschlag von Frantz Wittkamp, wenn er sagt:
"Manchmal ist mein Herz so schwer, dann kann ich es nicht tragen, dann schiebe ich es vor mir her auf einem kleinen Wagen."
Foto: Andrew Jackson Menschberg "Kleine, alte Frau Grosser, weiser Mensch Verwittert und vererdet geht Ihr Zwerg - und doch berghaft Den wütenden Schneesturm Der Wintersteppe gelassen an Euer Gesicht ist eine Landschaft Mit dunklen Furchen durchzogen Und von immer noch leuchtenden Erlebnissen gezeichnet Eure Finger sind Wurzeln Ausgewaschen und abgeschliffen Und in Eurem Blick wohnt Die Weisheit, sanft und klar Dort, wo Ihr angekommen seid Sind die Winde des Schicksals Abgeklungen"
Passend zur Jahreszeit habe ich ein wunderschönes Bilderbuch gesehen: "Es schneit!"
Gestaltet wurde es von der japanischen Bilderbuchkünstlerin: Komako Sakai. Amazon schreibt dazu: "Schnee legt das Leben in der Stadt lahm. Auch der Kindergarten fällt aus. Doch das Hasenkind ist fasziniert von der weissen Pracht! Es ist hinreissend, wie Komako Sakai diese Stimmung in ihrem neuen Buch einfängt und wie es ihr ein weiteres Mal gelingt, uns mit ihren Bildern zu berühren und zu verzaubern."
Wenigstens im Bilderbuch schneit es. Das tröstet ein wnig darüber hinweg, dass hier bei uns der grosse Schnee noch immer auf sich warten lässt.
Ich habe "Der Glückliche" von Hans Schertenleib gelesen. Der Protagonist heisst This Studer, ist Musiker und spielt hervorragend Trompete. Ein Freund lädt ihn nach Amsterdam ein um für ein paar Auftritte in einer Jazz-Combo zu spielen. Mit seiner Frau Daniela reist er dorthin und zeigt ihr "seine" Stadt. Während dieses Aufenthalts lässt Studer sein ganzes bisheriges Leben Revue passieren. Er, der sich für einen Glückspilz hält, erklärt seine Definition von Glück:
"Dass dir die Erde leicht sei - und du dir selber auch."
In farbenprächtigen Bildern beschreibt er seine Kindheit und erinnert sich dankbar an seinen Grossvater, der in ihm die Liebe zur Trompete weckte. Als er auf einem Spaziergang einen verletzten Hund sieht, werden in ihm Erinnerungen wach an einen Hund aus seiner Jugendzeit. This hat das Gefühl, er müsse an diesem Hund ein damals geschehenes Unrecht wieder gut machen. Die Zeit scheint still zu stehen. Am Schluss der Novelle sagt Studer:
"Die meisten Menschen sind blind für das Geschenk, das sie bekommen haben, sie ersticken am eigenen Atem, lassen sich vom eigenen Gewicht nach unten ziehen, immer weiter nach unten. Das Glück ist nicht blind. Blind sind die, die es nicht sehen wollen."
Mich hat diese Geschichte sehr berührt. Sie steckt voller Lebensfreude und Weisheit. Der Klang der Sprache ist kraftvoll und vermittelt ein reiches Spektrum an Farben, Bildern, Gerüchen. Schertenleib schreibt mit zärtlicher Leichtigkeit.
In Chiang Mai besuchten wir eine Schirm-und Fächerfabrik. Jeder Schirm ist handbemalt. "Der Fächerverkäufer - welchen Berg von Kühle trägt er durch diese Hitze."
Für die Thais ist der Elefant ein heiliges Tier. Er ist ein Symbol des Buddha. Der hinduistische Elefantengott Ganesh wird hoch verehrt. Uebrigens hat Thailand die Form eines Elefantenkopfes. Wir besuchten das Maesa Elefantencamp in Chiang Mai . Zu unserer grossen Verblüffung sahen wir wie 7 Elefanten unglaublich feinfühlig und geschickt mit ihrem Rüssel Bilder malten. Im ersten Lehrjahr lernen die Elefanten senkrechte Striche zu malen, im zweiten waagrechte, im dritten Kreise, im vierten Quadrate und im fünften Dreiecke.
Für 2000 Bhat, das sind 70 Franken, kauften wir das zweite Bild von rechts.
Nach der Arbeit dürfen die Elefanten ein ausgiebiges Bad nehmen.