Donnerstag, Juni 26, 2008

Der Blaubeersommer


"Meine Tante konnte lachen,
konnte Butterbrote machen,
Äpfel und Kartoffeln schälen
und genau bis hundert zählen."

Frantz Wittkamp

Tanten und Onkel zu haben finde ich wunderwunderschön. Als Kind war ich umgeben von ihnen. Viele Freundinnen und Freunde meiner Eltern boten an, uns Tante oder Onkel zu sein. Dadurch hatte ich eine riesengrosse Verwandtschaft. Ich liebte sie alle; die einen mehr als die andern. Durch sie eröffneten sich mir neue Welten.
Onkel Paddy kam aus Irland und wirkte als Missionar in Afrika. Es gab jedes Mal ein Riesenfest, wenn er uns auf seinem Heimaturlaub besuchte. Meistens kam er mitten in der Nacht. Dann standen wir Kinder natürlich sofort auf und assen mit ihm sein Leibgericht: "Gschwellti". Gebannt hingen wir später an seinen Lippen und lauschten den spannenden Berichten vom fernen Afrika, "seinen" schwarzen Kindern, dem Medizinmann, oder wie er vom Häuptling in den Stamm aufgenommen wurde und seinen Namen: "Grosser Elefant" erhielt.
Onkel Robert und Tante Claire wohnten in Fontainebleau. Als ich 14 Jahre alt war durfte ich zu ihnen in die Ferien kommen. Ich habe jetzt noch das Telegramm, das sie mir damals schickten: "Attendons Gabriela avec plaisir Gare de Lyon!"
Tante Ella und Onkel Ernst waren nach Neuseeland ausgewandert. Anlässlich eines Besuches schenkten sie uns eine Puppe, die wir sofort Tante Ella tauften. Ich liebte die Erzählungen wie sie als Greenhörner in ihrer Wahlheimat ankamen, voll Freude Englisch lernten und ihr neues Leben als Farmer aufnahmen.
Tante Millie war Schneiderin in Weinfelden. Es war immer ein grosses Ereignis wenn wir sie, deren Mund immer voller Stecknadeln war, besuchten. Mit grosser Begeisterung betasteten wir die vielen farbigen Stoffe, bestaunten die Schneiderpuppen und stellten uns die feinen Herren und Damen in ihren nigelnagelneuen Anzügen und Kleidern vor.
Tante Trudi führte mit ihrem Mann Onkel Martin ein Coiffeurgeschäft. Sie schien stets überarbeitet zu sein und ich hatte immer ein wenig Angst vor ihr.
Onkel Albert war Lehrer und wir besuchten ihn oft in seiner Wohnung im Schulhaus, wo er mir das Einmaleins beibrachte.
Tante Hildegard war Klavierlehrerin und sie hatte eine wunderbare Stimme. Ich musste ihr auf meiner Violine vorspielen aber sie war unzufrieden mit meinem Spiel, weshalb sie mich die Stücke endlos wiederholen liess.
Tante Leni und Onkel Berni hatten eine Metzgerei und ich spielte mit ihren Kindern im Kühlraum Verstecken.
Tante Beatie war oft krank und ich war sehr stolz, dass ich ihr manchmal helfen durfte, die verschiedenen Pillen in einem goldenen Mörser zu zerkleinern.
Dann sind da noch Tante Agnesli, Bijou, Onkel Otto, Onkel Damian . . . aber davon ein andermal mehr.

Diese Einführung diente vor allem dazu ein Hörbuch vorzustellen: "Der Blaubeer-Sommer" von Polly Horvath. Dieser Kinder-u Jugendroman handelt vom Mädchen Ratsche und seinen zwei herrlich exzentrischen Grosstanten Penpen und Tilly. Diese könnten glatt aus meiner Verwandtschaft stammen. ;-)
Die eindrucksvolle Stimme von Friedhelm Ptok nahm mich mit zu Ratsche, die einen unvergesslichen Sommerurlaub bei ihren über 90 Jahre alten Tanten verbringt. Diese Zwillingsschwestern wohnen in einem abgelegenen Haus in der Wildnis inmitten von Blaubeeren und in unmittelbarer Nachbarschaft von wilden Bären. Mir wurde beim Anhören dieser wunderplundrigen (Danke, Jacqueline für diese Wortschöpfung!) Geschichte ganz warm ums Herz.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

und was sind gschwelltie??!!
klingt lecker....
lieben gruß ursula

Gabrielas Tagebuch hat gesagt…

@usula
"gschwelltie" das sind ganz einfach: geschwellte kartoffeln, also pellkartoffeln! wir reichen dazu butter und verschiedene käsesorten, dips. hoffentlich bist du jetzt nicht enttäuscht. :-)

fohes wochenende
gabriela

Anonym hat gesagt…

ganz und garnicht, wir essen am liebsten kräuterquark, salz und butter dazu und lieben dieses essen!! es hat nun auch noch einen zweiten namen....
dir auch und einen spannenden sonntagabend ...
ursula

Gabrielas Tagebuch hat gesagt…

@ ursula

da bin ich ja beruhigt :-)

ich wünsche dir einen frohen sonntag und für heute abend, nerven aus stahl!

liebe grüsse.